| Durchschnittliche Gesichter
Die oben erwĂ€hnten Studien unterstĂŒtzen diese Theorie, wonach symmetrische, durchschnittliche Gesichter deshalb so attraktiv auf MĂ€nner wirken (wobei in den Studien Einigkeit sowohl innerhalb der MĂ€nner- als auch innerhalb der Frauenbeurteilungen herrschte), weil sie als Indikatoren fĂŒr die Jugendlichkeit und Fruchtbarkeit der Frauen fungieren.
Bei dem Begriff âDurchschnittâ muss hier noch deutlich gemacht werden, dass er sich auf den mathematisch erfassten Mittelwert aller MerkmalsausprĂ€gungen in der Gesamtstichprobe bezieht. Durchschnittlichkeit soll hiermit keine MittelmĂ€Ăigkeit von Gesichtern suggerieren. Im Gegenteil, wie Henss ausfĂŒhrt: ein Gesicht, dessen Merkmale mathematisch perfekt dem Durchschnitt aller Gesichter der Population entspricht, wĂŒrde sofort auffallen und wĂ€re keinesfalls gewöhnlich, da es sich ebengerade vom MittelmaĂ der uns umgebenden natĂŒrlichen Gesichter abhebt, denn jedes Gesicht enthĂ€lt, wie eben erwĂ€hnt, natĂŒrlicherweise einen gewissen Grad an flukturierender Asymmetrie.
Studien haben sogar gezeigt, dass solche Gesichter mit mathematisch perfekt symmetrischen Merkmalen, die durch computergestĂŒtzte Manipulation entworfen wurden, als deutlich weniger attraktiv bewertet wurden als die Ausgangsgesichter, weil sie unnatĂŒrlich wirkten (Henss, 1998).
Weiterhin muss angemerkt werden, dass ein Durchschnittsgesicht immer von der Stichprobe abhĂ€ngt. Bildet man aus zwei verschiedenen Stichproben jeweils die composites, so können beide sehr unterschiedlich aussehen, und doch gleichermaĂen als attraktiv wahrgenommen werden. Es gibt also keinesfalls das Idealgesicht, sondern unterschiedliche Gesichtstypen mit ihren jeweiligen eigentĂŒmlichen Merkmalen, die jede fĂŒr sich selbst genommen sehr attraktiv ist (Henss, 1998). Die aus den Studien ableitbare Schlussfolgerung ist ânurâ, dass aus Einzelgesichtern zusammengesetzte Gesichter tendenziell eine gröĂere AttraktivitĂ€t aufweisen, als die Individualgesichter.
Gleichwohl gibt es auch bei dieser festgestellten Tendenz eine EinschrÀnkung zu machen: Denn in der Studie von Langlois und Roggman fanden sich Individualgesichter, die sogar als noch attraktiver bewertet wurden als das entworfene Durchschnittsgesicht.
In einer daraus resultierenden umgewandelten Studie aus 1994 von Perret, May und Yoshikawa (Henss, 1998) wurden Gesichter kreiert, die als noch attraktiver als die Durchschnittsgesichter wahrgenommen wurden. Was fĂŒr Merkmale konnte ein weibliches Gesicht auĂer der Symmetrie und EbenmĂ€Ăigkeit noch haben, um sogar schöner auszusehen, als das bisher schönste konstruierte Gesicht? Nun, hier wurde von einer âKarikatur-Methodeâ Gebrauch gemacht, mit dessen Hilfe bestimmte Merkmale des Gesichtes besonders hervorgehoben werden konnten. Dabei wurde zunĂ€chst ein Durchschnittsgesicht von 60 jungen britischen Frauen anhand von 224 vordefinierten Punkten im Gesicht berechnet. Ebenso ist man beim Durchschnittsgesicht ĂŒber die 15, von den 60 beurteilten Gesichtern als am attraktivsten, verfahren. Um ein drittes, das âkarikatierteâ, Gesicht zu konstruieren, wurden schlieĂlich die Abweichungen zwischen jenen beiden Durchschnittsgesichtern in den 224 Punkten erfasst. Die Differenzen wurden dann bei der Konstruktion des dritten Durchschnittsgesichts um 50% erhöht.
Das dritte Gesicht zeichnete sich also dadurch aus, dass seine Merkmale sehr viel mehr als die beiden ĂŒbrigen Durchschnittsgesichter hervorgehoben wurden. Das beeindruckende Ergebnis: Nach 36 Beurteilungen schnitt das ĂŒberzeichnete Gesicht am besten ab! Danach folgte in dem AttraktivitĂ€tsrang das Durchschnittsgesicht der 15 attraktivsten Einzelgesichter und am schlechtesten schnitt das globale Durchschnittsge-sicht der 60 Einzelgesichter ab.
Ăhnliche verblĂŒffende Ergebnisse erhielt man auch in einer Studie mit 342 Japanerinnen als Stichprobe, die sowohl von Japanern als auch von Briten beurteilt wurden (Henss, 1998).
Offensichtlich spielt die Durchschnittlichkeit allein fĂŒr ein attraktives Gesicht nicht die einzige Rolle. Die jeweilige AusgeprĂ€gtheit einzelner Merkmale scheint also noch zusĂ€tzlich zur AttraktivitĂ€t beizutragen. Welche Merkmale das sein könnten und wie diese Ergebnisse nun evolutionsbiologisch erklĂ€rt werden können, werde ich weiter unten noch nĂ€her erlĂ€utern.
ZunĂ€chst einmal scheinen jedoch die Befunde bezĂŒglich des AttraktivitĂ€tsvorteils von Durchschnittlichkeit und Symmetrie die evolutionstheoretische These von Langlois und Roggman (Henss, 1998) zu stĂŒtzen, wonach eine evolutionĂ€rer Selektion gegen extreme Merkmale stattgefunden hat. Denn diejenigen, die Gesichtsmerkmale nahe am Populationsmittelwert besitzen, unterliegen evolutionstheoretisch weniger der Gefahr einer Mutation und besitzen aufgrund ihrer Durchschnittlichkeit eine gröĂere Mischerbigkeit als diejenigen mit extremen Merkmalen. Aus diesem Grund hat sich eine PrĂ€ferenz fĂŒr durchschnittliche und symmetrische Gesichter adaptiert.
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